Sie wissen sicher, was als Lichtverschmutzung bezeichnet wird? Die intensive Leuchtkraft unserer Innenstädte hat uns den Blick in die Kuppel des Weltalls völlig abgewöhnt. Wie selten stehen wir Städter mal in völliger Dunkelheit auf einem Feld oder einem Berg und staunen über das Sternenall über uns. Alles scheint am Firmament festgenagelt zu sein und doch ist alles in ständiger Bewegung.
Und dann die Entfernungen, vieles was wir da oben sehen, gibt es schon gar nicht mehr. Wie haben sich unsere Vorfahren aufgeregt, wenn der Mond plötzlich verschwand. Aber in unserer Zeit am 21. 1. 2019 haben manche das Schauspiel der Mondfinsternis gar verpasst?
> Nachgefragt: Heino Falcke mit Jörg Römer, Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir
Guckt man zum Mond und denkt an Neil Amstrong, den Mann auf dem Mond, fragt man sich doch schon mal, wie weit ist der Mond von der Erde entfernt? Zwischen 356 ooo und 407 ooo km und das Licht braucht für diese Entfernung 1,3 Sekunden… da verstehen wir gleich, dass eine Entfernung von 55 Millionen Lichtjahren nun wirklich recht unvorstellbar ist.
Machen wir noch ein paar Schritte weiter, M87*, das Schwarze Loch, um das es hier geht ist nämlich 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt aber durch seinen Durchmesser von 100 Milliarden Kilometer wohl groß genug, dass man von der Erde aus ein Foto von ihm machen kann.
Über die Entstehung des Schwarzen Lochs und dieses Foto berichtet Heino Falcke zusammen mit Jörg Römer in dem Buch > Licht im Dunkeln mit dem Untertitel „Schwarze Löcher, das Universum und wir“, das gerade bei Klett-Cotta erschienen ist und uns aufregende Einblicke in die ungeheuren Weiten des Weltalls vermittelt. Hier werden auf sehr lehrreiche Weise Grundlagen zum Verständnis der Astronomie vermittelt:
This is M87* and this the first image of a black hole! Mass is 6.5 Billion suns within size of a solar system. Precious because real. Waited 25 years for this. Dark shadow is where light disappears in #eventhorizon. We see something never seen before. #blackhole #JustWow #EHT pic.twitter.com/3nCosTzyER
— Heino Falcke (@hfalcke) April 10, 2019
Um zu verstehen, wie dieses Bild zustandegekommen ist, gibt es in diesem Buch in Teil I und II erst einen spannenden Grundkurs in Sachen Astronomie, Lichtjahre, Sterne, Quasare, Galaxien und eine Erläuterung der verschiedenen Theorien durch die Jahrhunderte zu unserem Weltbild, nein zu unserer Vorstellung von der Erde und ihrer Position im All bis zu Einsteins Relativitätstheorie. Das Kapitel heißt zwar „Geheimnisse des Universums“ aber die Entfernungen und Bewegungen im All werden so präzise erklärt, dass sich vor dem Auge des Leser eine dreidimensionale Abbildung des Raums entwickelt.
Blick aus dem Bürofenster morgens um 7 h 13: >>>
Dann kommt aber noch die Zeit hinzu und wieder Einstein. Also doch eine vierte Dimension? „Raum und Zeit müssen zusammengedacht werden,“ lernen wir: S. 81. Nach 80 Seiten Grundkurs verstehen wir auch, wieso Schwerkraft und Beschleunigung nicht voneinander zu trennen sind. Sie gehören nicht nur zusammen, sie „sind lokal nicht unterscheidbar.“ (ib.)
Gibt es Leben da draußen? Mag sein, aber Falcke ist sich sicher „Wer wir sind, hängt in erster Linie von uns selbst ab und nicht von Aliens da draußen.“ Wo immer die auch sein mögen, wir sollten uns um unseren Planeten mehr kümmern.
Falcke und Römer berichten, wie es dazu kam, dass am 10. April 2019 die Aufnahme des Schwarzen Lochs der Weltöffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Es befindet sich im Zentrum der Galaxie Messier 87 kurz M87, wie gesagt 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt.
Zum Vergleich dazu ist die Sonne nur zwischen 147,1 Mio. km und 152,1 Mio. km von der Erde entfernt, und etwa 110 x größer als unser Planet.
<< Blick in Hannover abends aus dem Fenster
Gut, dass M87* 100 Milliarden km groß ist… dadurch wird das Aufnehmen des Fotos vereinfacht. Natürlich reicht es nicht, eine gutes Teleobjektiv zu haben, denn Beobachtungen im Welt all in diesen Dimensionen kann nur in weltweiter Teamarbeit organisiert werden. Das Foto wird als solches so nicht aufgenommen sondern aus den weltweiten Beobachtungen „globale Kooperation“ (S. 192 f.) zusammengesetzt: Liste der EHT-Autoren: S. 333-335.
Sterbende Sterne haben etwas mit schwarzen Löchern zu tun, so eine Art interstellarer Friedhof? Unsere Stammleser wissen und erwarten bald einen Artikel mit „Nachgefragt“ unseres TV-Teams. Im Jahr 1054 beobachteten die Menschen, wie wir heute wissen, eine Supernova, deren Reste als Krebsnebel im Perseus-Arm unserer Milchstraße noch heute zu bewundern ist (S. 104). Bedenkt man, dass unsere Sonne einen gewaltigen Energieverbrauch („Heiner, mach das Licht aus, wenn Du es nicht brauchst…“) hat, pro Sekunde wird sie „vier Millarden Kilogramm leichter“ – ist das in Weltraumdimensionen viel? Immerhin, wir müssen uns drauf einstellen, dass in fünf bis sechs Milliarden Jahren mit der Sonne Schluss ist. (S. 40)
Die Forschung zu Schwarzen Löchern hängt von von der Leidenschaft der Forscher wie Heino Falcke und seinen Kollegen weltweit aber auch von Zufällen ab. Es sind einzelne Forscher, die mit genialen Arbeiten den Weg gewiesen haben, so wie der deutsche Astronom Karl Schwarzschild, der mitten im Krieg 1915, sozusagen im Schützengraben die „Raumzeitkrümmung rund um eine Punktmasse“ (S. 107) beschrieben hat. Viele weitere Forscher steuerten ihre Ergebnisse bei und so ist die Entdeckung schwarzer Löcher auch eine Kooperation von Forschern quer durch die gesamte Geschichte der Astronomie, die Falcke und Römer hier beschreiben.
Allmählich sind wir wir für den Teil III: „Die Reise zum Bild“ gerüstet: S. 157 ff. Hier berichtet Heino Falcke seine persönlichen Erlebnisse auf dem Weg zum ersten Bild eines Schwarzen Lochs. Es fängt man mit Beobachtungen, Vermutungen, Experimenten, Hypothesen, Verifizierungen, Misserfolgen und Erfolgen, ein Baustein kommt zum anderen. Falcke erklärt hier nicht nur Wissenschaftsgeschichte er erläutert auch wissenschaftliches Arbeiten. Man begreift nicht nur nebenbei seine Passion, die Vorgänge da weit draußen im Weltall zu verstehen. Und er berichtet nacheinander über seine Erkenntnisse, die ihn der Idee zu diesem Bild näher gebracht haben. So „Schwarze Löcher vergrößern sich selbst…“ (S. 179) Der Leser wird gar nicht mehr staunen, weiß er doch nach dem Grundkurs in diesem Buch, dass eigentlich jedes Objekt im Weltraum allen möglichen Formen der Bewegungsenergie ausgesetzt, unterworfen oder von ihr abhängig ist. Schwarze Löcher entwickeln sich also dynamisch und der heutige Zustand von M87* ist also heute in einem ganz anderen Zustand als zu dem Zeitpunkt, als es das Licht ausgesandt hat,dessen Aufnahme Falcke in seinem hier oben zitierten Tweet gezeigt hat. Wieviele Jugendliche sich wohl auf den Weg machen werden, Astronomen oder Physiker zu werden, nachdem jemand ihnen dieses Buch in de Hand gedrückt hat?
Die Suche nach dem Schwarzen Loch verlangt viel Geld. Wie bei der Grundlagenforschung gibt es auch dabei Glücksfälle und Rückschläge, bis das „Event Horizon Telescope“ entsteht: S. 196 ff. Dann endlich kann das erste große Experiment losgehen: S. 219-242. Es wird nicht einfach geknipst, sondern die Fouriertransformation hilft, aus dem Rauschen ein Bild herzustellen: S. 243 ff. Und M87* gib weitere Geheimnisse preis: „es sind tatsächlich 6,5 Milliarden Sonnenmassen“ (S. 258) M87* ist „hundert Millionen Mal schwerer, aber auch hundert Millionen mal größer als diese kleinen stellaren Löcher – genau wie erwartet.“ Die Skaleninvarianz der Einsteinschen Theorie ist exakt bestätigt. (ib.) Absätze wie diese belegen die Leidenschaft, mit denen Falcke und seine Forscherteams die Beobachtungen auswerten und einordnen.
Stephen Hawking,
> Kurze Antworten auf große Fragen
Aus dem Englischen von Heiner Kober unter Mitarbeit von Susanne Held (Orig.: Brief Answers to the Big Questions)
1. Aufl. 2018, ca. 240 Seiten, Gebunden mit s/w-Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96376-2
Teil IV „Jenseits der Grenzen“ (S. 267 ff) ordnet das Schwarze Bild ein: „Kunst und Mythos“ zugleich. Der 4. Teil ist ein kluger philosophischer Essay, in dem Falcke über seine Arbeit und sein Passion nachdenkt, uns an seinen Aufregungen, Entdeckungen und der Entwicklung seines Forscherdrangs teilhaben lässt. Als kleiner Junge wollte er ein Loch in die Mauer bohren, um zu gucken, was dahinter ist. das klappte nicht. Als Schüler konnte er endlich loslaufen, einmal um die Ecke, dann war er hinter der Mauer, das war sein künftiger Schulhof. Wir lernen: der direkte Weg führt nicht immer zum Ziel. (S. 279)
Wie groß ist der Weltraum? Nun „94 % der Galaxien“ werden wir wohl nie sehen. (S. 303).
Am Schluss wird alles wieder in das richtige Licht gerückt: „Muss ich hinzufügen, dass ein Mensch viel komplexer ist als ein System dreier schwarzer Löcher?“ (S. 309)
Das Glossar: S. 336-344 enthält auch viele Links zu nützlichen Seiten in den unendlichen Weiten des Internets.
Bücher über Astronomie füllen ganze Bibliotheken. Das Buch von Falcke und Römer bekommt in meiner Bibliotheken einen Sonderplatz, weil es Wissenschaftstheorie und – geschichte an einem Beispiel, hier die Schwarzen Löcher, so eindrucksvoll verbindet. Wäre ich Physiklehrer, würden meine Schüler/innen mit diesem Buch in einer Projektwoche aufregende Referate erarbeiten ganz so wie Falcke zusammen mit Römer seine Vermutunge und Ergebnisse so präzise darstellt, wird es dem Schüler, der die Relativitätstheorie als Thema wählen wird, gelingen, sie ganz praktisch mit den Erläuterungen und Beispielen von Falcke seinen Mitschülern zu erklären. Aber eigentlich hat er das Buch für einen breiten Leserkreis verfasst, für alle, die sich für Astronomie interessieren. Sie werden hier Grundlagen finden und viele Erklärungen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf die Weiten des Weltraums – auf unsere Herkunft und auch das dermalige Schicksal unseres Sonnensystems zusatndekommen.
Sonnenuntergang in Hochdorf bei Vaihingen/Enz:
Heino Falcke, Jörg Römer
> Licht im Dunkeln
Schwarze Löcher, das Universum und wir
1. Aufl. 2020, 384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit farbigen Abbildungen
ISBN: 978-3-608-98355-5
Alle Fotos außer das im Tweet von Heino Falcke © Heiner Wittmann.