Lesebericht: Reyhan Sahin aka Dr. Bitch Ray, Yalla, Feminismus!

Bei Tropen ist gerade das Buch von Reyhan Sahin aka Dr. Bitch Ray, > Yalla, Feminismus! erschienen, in dem die Autorin beschreibt, wie sie sich zur Feministin entwickelt hat und wie sich vor allem in der deutschen Hip-Hop und Rapper-Szene behauptet hat. Außerdem erfährt man bei ihr Grundlegendes zum Verständnis des Kopftuches und zu Frauen in Universitätsbetrieb in Deutschland: „Dieses Buch soll Frauen, queere, transidente, transgender sowie inter- und asexuelle Personen, behinderten Menschen, People of Color sowie andere Marginalisierte motivieren, sich mehr einzumischen.“ (S. 22)

> Nachgefragt: Reyhan Sahin aka Dr. Bitch Ray, Yalla, Feminismus! – 25. Oktober 2019

Reyhan Sahin will durch ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen anderen Frauen Mut machen, selbstbewusster aufzutreten. Ist sie selber eine Feministin? Im ersten Kapitel will sie davon nichts wissen und nennt die Bezeichnung Bitch für sich: „Ich komme mir eher vor wie eine feministische Insel im gesamtdeutschen feministischen Diskurs.“ (S. 26) Aber dann doch: „Ich bin Undercover-Feministin.“ Eine, die es satt hat, sich ständig mit diesem Label bezeichnen zu lassen.

Bitchsm erklärte schon 2012 wie die Autorin die „Kunstform von Lady Bitch Ray als expositiver Weiblichkeitsentwurf“ aufgefasst werden soll, zugleich ging sie dort schon auf die „Emanzipation der muslimischen Frau“ (S. 31) ein, Sextipps und Empowerment für alle intersexuellen und queeren Menschen inbegriffen.

Yalla kommt aus dem Arabischen und ist ein Lehnwort im Türkischen so wie haydi: „Los geht’s“, bedeutet aber auch „hau ab!“ und so will die Autorin Yalla auch als Möglichkeit, Dinge ironisch zu hinterfragen verstanden wissen.

„Feministische Intersektionalität“ (S. 36 ff.) behandelt alle Formen der Diskriminierung auch als Mehrfachdiskriminierung bekannt, zu denen auch „Antimuslimischer Rassismus“ (S. 43 ff.) gehört: „Muslime“ religiös oder sekulär, es werden keine Unterschiede gemacht und so allen Vorurteilen Vorschub geleistet, was besonders kopftuchtragende Musliminnen bemerken.

Hip-Hop und Rap: Das Buch von Reyhan Sahin aka Dr. Bitch Ray enthält mit dem II. Kapitel einen ausführlichen und somit sehr bemerkenswerten Einblick in die Musikszene des Rap in Deutschland und mit der Vielfalt ihrer Themen auch ein Erklärung dafür, wieso sich die Autorin diesem Musikgenre so stark zugewandt hat. Eigentlich wurde sie ja zu erst mehr als gemobbt, sie schien in diese Szene nicht reinzupassen und musste alle Formen der Ausgrenzung kennenlernen. Sie hat sich aber durchgesetzt, es klingt beinahe an, als hätte sie in der Szene eine pädagogische Aufgabe wahrgenommen, nämlich deren Anhänger auch von ihrer Kunst zu überzeugen um den Preis, das Radio Bremen sie als Journalistin entließ. Hatespeech, Rassismus, die „männlich dominierte, chauvinistische Strukur“ (S. 51) des deutschen Rap; alles lernte sie auch in der Szene kennen, hörte dann sogar mit ihrer Musik auf und wandte sich eine Doktorarbeit zu und begann mit Bitchism-Seminaren. Sie wurde dann aber doch zu einer Stimme, die im deutschen Rap Frauen und Queers eine Stimme verlieh. Gelingen konnte ihr das nur, weil sie die Rap-Szene in- und auswendig kannte. Bis heute klagt sie (vgl. S. 79), ist es ein Problem der Forschung, über keine Innenansicht des Rap zu verfügen.

„Kunst soll ja auch Aufmerksamkeit erregen, irritieren und bestenfalls Denkanstöße geben,“ (S. 93) schreibt sie und kritisiert die Vehemenz, wie bis heute auf Lady Bitch Ray reagiert werde. Ob sie sich missverstanden fühlte? Es scheint eher nicht, ihre Beobachtungen und die Reaktionen auf ihre Kunst waren und sind für sie auch heute noch der Ansporn total unbeirrt weiterzumachen.

Das Kapitel über die „Die Deutsche Kopftuchsaga. A little bit of Kopftuchsplaning“ (S. 161 ff.), bsds. „Yalla, Baby-Kopftuch-Riots“ (s. 236-239) gerät auch zu einer Abhandlung über „Liberale islamische Feminist*innen. Das letzte Kapitel über die Erlebnisse der Autorin in der Universität (S. 241-289)  enthält eine heftige Kritik an allen lauten und allermeist stillen Diskriminierungsformen aller Art besonders hinsichtlich von Stellenbesetzungen lassen die Institution Hochschule in keinem guten Licht erscheinen.

Sahin aka Dr. Bitch Ray möchte aufklären, das Wissen über islamischen und muslimischen Feminismus erweitern und einen „kritisch intersektionellen feministischen Umgang mit diesen Themen anbieten.“ (S. 292)

Ein Glossar am Anfang erleichtert das Verständnis vieler Ausdrücke in diesem Buch von Abayaq bis Woman of Color (WOC).

Reyhan ?ahin aka Dr. Bitch Ray,
> Yalla, Feminismus!
1. Aufl. 2019, 316 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-50427-9