Lesebericht: Thomas Asbridge, Der größte aller Ritter und die Welt des Mittelalters

Mandy Theime aus Leipzig: > Thomas Asbridge/Susanne Held: Der größte aller Ritter und die Welt des Mittelalters hat dieses Buch genau gelesen und wünscht sich nur ein zweites Lesebändchen.

asbridge-ritterThomas Asbridge hat ein Buch verfasst, das von einer ganzen Epoche berichtet: > Der größte aller Ritter und die Welt des Mittelalters. Guillaume le Maréchal (um 1147–1219; englisch William Marshal, 1. Earl of Pembroke) prägte und verkörperte die Lebensart der Ritterwelt. Er stand in den Diensten von fünf englischen Königen, vier hat er überlebt: Heinrich II. (1133-1189) Herzog der Normandie und von Aquitanien, König von England (1154–1189) und als Graf von Anjou Begründer der Dynastie Anjou (S. 108 ff.). Er begründete als erster angevinischer König das Haus Plantagenet. Er herrschte über Wales, Schottland das östliche Irland und das westliche Frankreich. Aus seiner Ehe mit Eleonore von Aquitanien (1122-1204 vgl. Régine Pernoud, ALiénor d’Aquitaine, Paris 1965) stammte sein zweiter Sohn Heinrich der Jüngere (1155-1183), der1170 zum König gekrönt wurde: der junge König, starb aber vor seinem Vater. Der dritte Sohn von Heinrich II. Richard I. (Löwenherz) (1157-1199) war von 1172 bis zu seiner Krönung 1189 zum König von England Herzog von Aquitanien. Der jüngste Sohn von Eleonore und Heinrich II. Johann Ohneland (1167-1216), König von England von 1199 bis 1216, Lord von Irland, Herzog der Normandie und von Aquitanien sowie Graf von Anjou. 1204 verlor er die Normandie an Frankreich. Die Rebellion der englischen Barone zwang ihn 1215 zur Anerkennung Magna Carta. Heinrich III. (1207-1272) war als englischer König von 1216 an auch Lord of Ireland und Herzog von Aquitanien.

Ihnen allen stand Guillaume le Maréchal als Ritter, Berater und schließlich in seinen letzten Jahren auch als Hüter des Kongreichs (S. 398 ff.) zur Verfügung. Asbridge beginnt seine Biographie dieses außergewöhnlichen Ritters mit einem Editionskrimi: S. 19-27. paul-meyer-guillaume-le-marechal

Meyer, Paul (Hrsg.), > L’histoire de Guillaume le Maréchal, Comte de Striguil et de Pembroke, Régent d’Angleterre de 1216 à 1219 : poème français. T. 1 / publié pour la Société de l’Histoire de France par Paul Meyer, Paris: H. Laurens, 3 vol. 1891-1901 .

1861 fand Paul Meyer bei einer Auktion eine mittelalterliche weitgehend unbekannte Handschrift, der er später den Titel Histoire de Guillaume le Maréchal gab. 20 Jahre sollte vergehen, bis er wieder das Manuskript in Händen halten konnte.

1152 befand sich der fünf-jährige Guillaume le Maréchal in der Hand des Königs Stephan von England, der den kleinen Guillaume von dessen Vater als Pfand für einen Stephan gegebenen Schwur übergeben hatte. Der Vater brach den Schwur und Stephan schickte sich an, den Sohn hängen zu lassen. Es kam dann doch anders, Guillaume stieg zum Ritter auf und nahm immer an vorderster Front fast 70 Jahre lang an allen Kriegen, Aufständen und Rebellionen teil. Er verkörperte seine Zeit wie kaum ein anderer. Und dabei war das keine gradlinige Karriere. Mindestens zweimal stand er vor seinem persönlichen Aus, wenn seine Gönner das Interesse an ihm verloren hatten, so auch 1166 als er nach dem Grenzkonflikt in der Normandie von den Herren von Tancarville nicht mehr gebraucht wurde. Ein Ritter auf Arbeitssuche. So wie 1183, als Heinrich ihn entließ. (S. 189) Da wurde seine Ritterloyalität auf eine harte Probe gestellt.

Die Welt der Ritter, Turniere, Verschwörungen, Kriege und Aufstände. Guillaume le Maréchal war immer mit dabei und entwickelte in der Praxis seine Ideale der Ritterlichkeit und der Treue gegenüber den Königen, denen er nacheinander diente. Asbridge erklärt auch die Durchführung, die Funktion und den Stellenwert der Turniere (S. 96 ff., bsd. S. 153 ff.), an denen Guillaume le Maréchal zusammen mit dem jungen König Heinrich dem Jüngeren lange Jahre mit großem Pomp und Intensität teilnahm.

Auch Schüler, die schon einmal das Wort Ritter in ihrem Geschichtsbuch gelesen haben, werden Asbridges Buch verschlingen. Schade, dass Schüler so selten mit Gesamtdarstellungen einer Epoche wie Asbridge mit der Geschichte des Guillaume le Maréchal sie vorgelegt hat, in Berührung kommen.

Heinrich II. verheiratet seinen Sohn Heinrich, (5 Jahre) den er schon 1170 zum König krönen ließ, 1160 mit der Tochter Ludwigs VII. Marguerite (2 Jahre). Beide sollen während der Zeremonie geheult haben (S. 123) Später trat Guillaume le Maréchal in die Dienste des jungen Königs, der acht Jahre jünger als sein Ritter war. Die Konflikte zwischen Vater und Sohn blieben nicht aus, Kriege und mehr oder weniger halbherzige Versöhnungsgesten folgten aufeinander.

1183 befindet sich Guillaume le Maréchal zwei Jahre lang auf einem Kreuzzug: asbridge-kreuzzuege Thomas Asbridge, > Die Kreuzzüge Aus dem Englischen von Susanne Held (Orig.: The Crusades. The War for the Holy Land) 6. Aufl. 2015, 829 Seiten, broschiert, mit Tafelteil und Karten ISBN: 978-3-608-94921-6.

Asbridge analysiert in seinem Buch ausführlich die Frage nach der Loyalität eines Ritters gegenüber seinen Dienstherren, deren Ansichten, politischen Entscheidungen, kriegerische Aktionen, er nicht immer zustimmen kann. Es waren ja auch gerade Konflikt ähnlicher Art, die ihn 1166 und 1183 arbeitslos machten. Fand er dann zum König zurück, weil er wieder einen Job brauchte oder konnte der König auf die Erfahrungen des Ritters als Berater, erfahrener Krieger und Unterstützer zugunsten der eigenen Herrschaft nicht verzichten? Auf subtile aber präzise Art erklärt Asbridge die soziale und politische Stellung von Guillaume le Maréchal, seinen Aufstieg als Ritter zu einem der mächtigsten und reichsten Barone Englands.

Thomas Asbridge
> Der größte aller Ritter
und die Welt des Mittelalters
Klett-Cotta Aus dem Englischen von Susanne Held (Original: William Marshal. The Greatest Knight)
1. Aufl. 2015, 478 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Karten, mit einem farbigen Tafelteil und Lesebändchen
ISBN: 978-3-608-94923-0