In seiner Stuttgarter Zukunftsrede Daniel Kehlmann > Mein Algorithmus und Ich Stuttgarter Zukunftsrede hat Daniel Kehlmann kürzlich über seine Reise ins Silicon Valley berichtet, wohin er eingeladen worden war, um mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz eine Kurzgeschichte zu schreiben. Gerade haben wir hier über Raphael Edelbauer, Dave berichtet, so liegt uns schon wieder ein Buch zur Künstlichen Intelligenz vor. Diesmal aber aus einer anderen Perspektive.
Im Februar 2020 besteigt Daniel Kehlmann ein Flugzeug, dass ihn von New York nach San Francisco bringen wird. Er kommt im Silicon Valley zu einer Cloud-Comuting-Firma. Zuerst fällt ihm auf, was nicht da ist: Papier. Nirgends gibt es Papier. Nur Laptops. Er darf vor einem Platz nehmen und dann geht es los. Kehlmann schreibt einen Satz… der Druck auf die Steuertaste löst den Algorithmus aus, der denkt sehr kurz nach und schreibt den nächsten Satz. Kehlmann übernimmt wieder… so geht es weiter, bis CTRL ins Straucheln kommt, nicht mehr weiter weiß, überfordert erscheint.
Vielleicht wird man sich irgendwann an diese stotternden Anfänge erinnern. Jede technische Erfindung hat so ihre ersten Gehversuche gemacht und wir sind ja erst am Anfang von KI und noch kann CTRL nur mit einigen Sätzen mithalten. Und noch denkt er sich nichts aus, er kombiniert nur, imitiert und, wie wir beim Plaudern vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen.
Und Kehlmann weiß genau: „Künstliche Intelligenz ist ein Zweitverwerter.“ (S. 29) Mit dieser Erkenntnis wird KI endlich wieder auf das ihr zugehörige Maß zurechtgestutzt. Sie kann nur kombinieren. Wenn auch schnell aber ohne ihre Wörtersammlung im Hintergrund kann sie nichts anstellen.
In seiner Rede berichtet Kehlmann über viele Beispiele, wie er CTRL zum Schreiben bewegen will. Die Ergebnisse sind ernüchternd. So eine wirkliche Intelligenz ist bei CTRL nicht erkennbar, aber die Erfahrung war für Kehlmann sicher lehrreich.
Ein Beispiel. Nehmen wir mal, ein Student hat einen Text bekommen, über den er eine Seminar- oder Hausarbeit verfassen soll. Früher schritten wir zum Schlagwortkatalog der Bonner Universitätsbibliothek. Der Student von heute wird seinen Text in ein Textfeld, also ein Formular hineinkopieren auf RETURN drücken und dann seine Bibliographie, die als Ergebnis angezeigt wird, abarbeiten: Zukunftsmusik? KI? > JSTOR Text-Analyzer. Am besten einmal mit einem englischen Text testen.
Oder nehmen wir als Beispiel das Übersetzungsangebot von www.deepl.com, das vor allem bei Sachtexten gut brauchbare Ergebnisse liefert. Aber auch deepl.com kommt ohne Datenbasis und Algorithmen, die ihm genau sagen, was zu tun ist, nicht aus. So richtig ist das eigentlich auch nicht, denn ohne > Datenbanken kommt keines der Angebote für maschinelle Sprachverarbeitung auch für > Textanalyse aus. Die > Analysen von Texten und ihr Verständnis durch Maschinen sind eine Grundvoraussetzung für maschinelles Übersetzen, gar für das Erstellen von Texten, wobei wie Daniel Kehlmann dies nur zu deutlich zeigt, die Maschine sich kaum selber Zusammenhänge ausdenken kann, sondern auf zuvor formulierte Bezüge zurückgreifen muss.
Werden wir eines Tages über die Kritik von Kehlmann lächeln, weil die Maschinen längst den Datenbanken entwachsen sind und der Lektor nur noch auf einen Knopf drücken braucht, um den nächsten Band herzustellen? Ort der Handlung? Wieviele Personen? wo? Wann? Lektüreschwierigkeitsgrad? Seitenumfang? Kapitelanzahl?
Daniel Kehlmann
> Mein Algorithmus und Ich
Stuttgarter Zukunftsrede
1. Aufl. 2021, 64 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-98480-4