Lesebericht: Ronald D. Gerste, Die Heilung der Welt. Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914

Ronald D. Gerste hat eine spannende Geschichte des Goldenen Zeitalter der Medizin 1840–1914 mit dem Titel > Die Heilung der Welt verfasst, die gerade bei Klett-Cotta erschienen ist.

Bemerkenswert ist, wie er historischen Überblicke mit den entscheidenden Etappen der Entwicklung der Medizin verbindet. Ich erinnere mich daran, wie ich auch früher als Schüler diese Art der Sachbücher verschlungen habe. Damit sei sogleich gesagt, dass dieses Buch sich keineswegs nur an ein, wie man so schön sagt, interessiertes Publikum richtet, sondern auch in einer Schulbibliothek nicht fehlen darf – ach, die gibt es nicht mehr? Ja, die Schüler haben nun alle Ihr Smartphone ständig stets online in der Hand und in Buchhandlungen gehen ohnehin keine Jugendliche mehr? Stimmt nicht, denn die gucken sehr wohl nach Fantasy… als Buchhändler würde ich sie geschickt zum historischen Sachbuch leiten, so zum Beispiel zum Buch von Gerste über die > Die Heilung der Welt.

Gerste beginnt mit dem Jahr 1846 und der ersten schmerzfreien Operation unter  Betäubung. Und gleich gilt auch das Gerangel unter allen, die den Erfolg für sich beanspruchen, das wird immer wieder so sein und gehört auch ein wenig zum Wissenschaftsbetrieb mit dazu. Gerste will ausdrücklich keine Medizingeschichte verfassen sondern uns ein „Zeitgemälde einer auf so vielen Gebieten fortschrittsgläubigen Epoche“ vorstellen, S. 11. Das ist ihm auch gelungen, denn die große Zahl medizinischer Durchbrüche von der Äthernarkose 1846, die dann gleich 1847 in Deutschland angewandt wurde bis zur Bekämpfung der Antisepsis waren mit den historischen Umständen dieser Epoche immer eng verbunden. So wie der Krimkreg mit seinen unglaublichen Leiden Henri Dunant zur Gründung des Roten Kreuzes inspiriert, so haben beispielsweise die Cholera-Ausbrüche in England John Snow zum Begründer der modernen Epidemiologie gemacht, indem er erfolgreich Ursachenforschung betrieb. Mit diesen Passagen mit der Beschreibung, wie diese Mediziner zu ihren Entdeckungen kamen, lässt Gerste uns an ihrer Passion teilhaben.. Es sind diese Berichte, sein Buch so spannend machen und möglicherweise den ein oder anderen Leser in seinem Berufswunsch lenken werden.


> Lesebericht: Ronald D. Gerste, Wie Krankheiten Geschichte machen. Von der Antike bis heute

Ronald D. Gerste
> Wie Krankheiten Geschichte machen.
Von der Antike bis heute
1. Aufl. 2021, 384 Seiten, Taschenbuch, mit zahlreichen Abbildungen
ISBN: 978-3-608-98418-7


Wissenschaftsgeschichte in bestem Sinne legt Ronald D. Gerste uns hier vor. Er erklärt, wie sich der Fortschritt im Wettstreit der Wissenschaftler untereinander abzeichnet. Natürlich geht es dabei auch um Empfindlichkeiten, viele sind auf ihre eigene Vorteile bedacht, aber auch solche Habitüden gehören zum Wissenschaftsbetrieb, der doch letztendlich den Fortschritt und im Fall der Medizin auf die Verringerung des Leidens zielt. Mut und Neugier gehören auch dazu und Beharrlichkeit wie Kombinationsvermögen, all das führte Philipp Semmelweis in Wien zur erfolgreichen Bekämpfung des Kindbettfiebers – durch die strikte Anweisung an Ärzte und Pfleger sich zwischen der Pathologie und der Entbindungsstation die Hände zu waschen. Erst wurde Semmelweis angefeindet, aber der Erfolg gab ihm recht. So ist das eben in der Wissenschaft, neue Methoden werden zuerst oft an ihren Erfindern gemessen, was will er, wo kommt er her und dann erst schaut man sich die gerste-wetterMethode selber an, das ist ganz oft so. Aber der Erfolg ließ die Skeptiker schnell verstummen.


<<<  #COP21 – Lesebericht : Ronald D. Gerste, Wie das Wetter Geschichte macht

Ronald D. Gerste
> Wie das Wetter Geschichte macht
Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute
5. Druckauflage 2020, 288 Seiten, broschiert, mit zahlreichen s/w-Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96253-6


Räder aus Stahl. Kapitel 7: Was ist nicht alles über die gefährliche Geschwindigkeit des Dampfrosses geschrieben worden. Aber John Eric Erichsen machte mehr daraus und  wies der Forschung neue Wege, in dem er Opfer von Eisenbahnunfällen untersuchte und dabei ein Symptomenkomplex beschrieb, was wir heute als PTSD (post traumatic stress disorder) bezeichnen.

Röntgen mit den von ihm entdeckten Strahlen und Freud mit den Kokainversuchen wie viele andere auch haben mit den neuen Verfahren und Substanzen experimentiert, neue Behandlungsmethoden gefunden aber auch sich selbst und andere neuer Gefahren ausgesetzte, die sich nicht einschätzen konnten – heute warnt jeder Beipackzettel vor Nebenwirkungen – fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker -, die aber um des Fortschritts willen in Kauf genommen und als bald korrigiert wurden.

Wissenschaftsgeschichte enthält dieser Band, in gewissem Sinne sogar eine Propädeutik: die Missstände analysieren, Hypothesen formulieren, Experimente wagen, Ergebnisse analysieren und dem Widerspruch anderer Wissenschaftler aussetzen, und in der Auseinandersetzung die beste Lösung finden. Da können heutige Pandemiebehandlungskritiker bestimmt auch etwas lernen, bevor sie auf unsicherem Terrain Vorsichtsmaßnahmen kritisieren, unvorsichtige Lockerungen anmahnen, und gar schon von Impfausweisen sprechen, ohne gesicherte Erkenntnisse über die Erfolge der Impfmaßnahmen zu verfügen.

Ronald D. Gerste
> Die Heilung der Welt
Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914
1. Aufl. 2021, 400 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit zahlreichen Abbildungen
ISBN: 978-3-608-98409-5