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Tobias Hürter, Das Zeitalter der Unschärfe.Die glänzenden und die dunklen Jahre der Physik 1895-1945

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
5.1.2022

Sachbücher können zuweilen nicht minder spannend sein als aufregende Krimis. Der Band mit dem Titel »Das Zeitalter der Unschärfe«, mit dem Tobias Hürter über »Die glänzenden und die dunklen Jahre der Physik 1895-1945« berichtet, ist ein solches Sachbuch. Hürter erzählt die aufregenden Stationen der Physik und ihrer Entdeckungen von 1895 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Immer näher kommen die großen Physiker dieser Epoche wie Marie Curie, Max Planck, Niels Bohr, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und allen voran Albert  Einstein einer gänzlich neuen Beschreibung der Welt unter dem Zeichen der Quantenphysik. Konservative Physiker wehrten sich lange gegen sie, auch Einstein haderte lange mit ihr. Verlangte doch die Quantentheorie, sich von einer Sichtweise auf die Welt zu verabschieden, die von dem Kontinuitätsprinzip beschrieben wurde. Die Quantentherorie stellte die bekannten Gesetze der Mechanik mit ihren wohl geordneten Bahnen in Frage. Indeterminismus  gehörte zu den neuen Stichwörtern und das Verhältnis von Messung und Realität musste neu bewertet werden.

Tobias Hürter, Das Zeitalter der Unschärfe.Die glänzenden und die dunklen Jahre der Physik 1895-1945
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Das Zeitalter der Unschärfe

Das Zeitalter der Unschärfe

Die glänzenden und die dunklen Jahre der Physik 1895-1945

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„Stellen Sie sich vor, Sie finden eines Tages heraus, dass die Welt in der Sie leben, ganz anders funktioniert, als Sie bisher glaubten,“ so beginnt Tobias Hürter den Prolog zu seinem Buch.

Wilhelm Röntgen entdeckt 1896 die nach ihm benannten Strahlen. 1898 berichtet Marie Curie über die Uran-Strahlung der Atome als eine ihrer Eigenschaften und rüttelt damit am Kausalitätsgesetz. Und sie geht noch weiter, ein strahlendes Atom verwandelt sich dabei von einem chemischen Element in ein anderes: das ist die Umwandlungstheorie und ein Angriff auf die alte Physik. 1902 ist es soweit, Marie und Pierre Curie können ein Zehntelgramm Radium vorzeigen.

Ab 1894 kämpft Max Planck (1858 – 1947) mit dem Schwarzkörper-Problem, es geht um den Zusammenhang von Temperatur und Farbspektrum. Kurz darauf hat er im wahrsten Sonne des Wortes eine Erleuchtung und schreibt die Formel auf: da gibt es ein h, eine Ziffer mit 26 nach dem Komma, eine Null ist nicht zu errechnen: die Energie wird gezwungen in gewissen Quanten zusammen zu bleiben.

Ernste Rutherford und Niels Bohr begegnen sich 1911 und Bohr wechselt von Cambridge zu ihm nach Manchester: mit der Identität der Alpha-Strahlung wird ihm klar, dass die Radioaktivität der Schlüssel zum Aufbau der Atome ist. Spätestens mit seinen Experimenten wird klar, wie spannend Tobias Hürter   in diesem Buch das Verhältnis von Theorie und praktischem Experiment beschreibt. Wie wird Neues entdeckt… das geschieht offensichtlich nicht über den bloßen Weg der Experimente in den Laboren, sondern über Formeln und Intuition. Man sieht nur, was man weiß, sagte mir einmal ein Architekt. Und die Widersprüche in den Beobachtungen leiten den Weg zu neuen Entdeckungen im Labor. Die einen sind schlechte Theoretiker können aber exakt experimentieren, ihnen stehen mehr oder weniger partnerschaftlich diejenigen zur Seite, die schlecht experimentieren aber geniale Theoretiker sind. Auf diese Weise erklärt Hürter in diesem Buch, wie wissenschaftlicher Fortschritt durch klugen Disput, aber auch durch unbarmherzigen Streit entsteht.

Bewegen sich die Elektronen und geben sie Strahlung ab? Dann müssten sie zum Stillstand kommen? Bohr glaubt ihre Energie modifiziert sich in festen Schritten, um ein Quantum und kann damit die Spektrallinien des Wasserstoffs erklären und damit nachweisen, dass die elektrische Anziehung die Elektronen in den Umlaufbahnen hält, wobei sie ihre Orbits gemäß der Quantenbedingung wechseln können.

Der Erste Weltkrieg und die folgende Grippe-Pandemie lassen die Forschungen stocken. In Berlin streiten Bohr und Albert Einstein (1879 – 1955) über Teilchen und Wellen. Strahlung besteht für Bohr ganz naheliegend aus aus Wellen und nicht aus Teilchen? Dieser Konflikt wird die Physiker lange beschäftigen. Schließlich kommt Einstein zu der Einsicht, dass es die Lichtquanten wirklich gibt. Einstein ging noch weiter und erklärte dass Strahlungsenergie immer quantisiert sei. Für diese Hypothese, die Lichtquantenhypothese wurde ihm 1921 der Nobelpreis verliehen. Es war übrigens Planck, der Einsteins Theorie von Raum und Zeit mit dem Namen „Relativitätstheorie“ taufte.

In Göttingen trifft Bohr 1922 Werner Heisenberg (1901-1976). Beide sprechen über die Quantentheorie und verstehen, dass auch sie nur ein Konstrukt ist, ein Atommodell zu Beschreibung. Bohr spricht sogar von Dichtung (vgl. S. 102 ff) und sagt, ein Elektron könne Welt und Teilchen sein, beharrt aber doch auf den Wellen. Hürter bringt ihre 19-jährige Freundschaft auf den Punkt: „Wo Heisenberg Formeln sieht, sieht Bohr Phänomene.“ (S. 104) 1922 erhält Bohr für seine Erforschung der Struktur der Atome den Nobelpreis.

1923 kann Arhtur Holly Compton in St. Louis nachweisen, dass Röntgenstrahlen als Quanten unterwegs sind, würde sich das wirklich bewahrheite würde die Wellentheorie fallen müssen, wie auch immer es geht um Wellen und Teilchen. Bohr will an den Wellen festhalten. Andere Physiker versuchen zu vermitteln, aber Einstein lässt sich nicht überzeugen. Neue Forscher wie Prinz Louis Victor Pierre Raymond de Broglie treten auf. Er schickt seine Arbeit an Einstein und kommt zu dem Schluss, je schneller das Teilchen, desto kürzer die Wellenlänge, also doch eine Koexistenz von Teilchen und Wellen (vgl. auch S. 162 f) : De Broglie hat die Atome zum Klingen gebracht“, (S. 133) stellt Hürter fest. Und de Broglie fügt hinzu: „Jede Materie besitzt diese Dualität.“ (S. 135)

Wolfgang Pauli (1900-1958) ist Heisenberg Konkurrent, ihm immer voraus: Beide forschen nicht nur sondern beschimpfen sich auch: „Es ist wirklich ein Saustall, dass Sie mit dem Pöbeln nicht aufhören können…,“ (S. 145) schreibt Heisenberg.

Erwin Schrödinger (1887-1961) findet 1925 eine Formel, wie die Energiefunktion reguliert wird. Aus den Quantensprüngen macht er fließende Übergänge von einem Wellenmuster in das andere und legt damit die Grundlage der Quantenphysik. Am 23. Juli 1926 hält Schrödinger in München einen Vortrag: Ein Elektron sei gar kein Teilchen, sondern eine Welle, die bloß teilchenhaft erscheine. Heisenberg protestiert. Paul Dirac (1902-1984) wird so etwas wie ein Vermittler und nennt stellt seine Transformationstheorie vor, die Schrödingers Annahmen mathematisch begründet “ und aus Dichtung Wahrheit macht“, (S. 205) fügt Hürter hinzu.

Heisenberg lässt nicht locker, man kann nur mit dem Ortsauge oder dem Geschwindigkeitsauge in die Atome sehen und formuliert die Unschärferelation. Hürter sagt dazu: „Das Produkt der Unbestimmtheiten für Ort und Impuls kann nicht kleiner als das Plancksche Wirkungsquantum sein.“ (S. 225) Die Anregung kam von Einstein: „Erst die Theorie entscheidet, was man beobachten kann.“ (S. 225 und 227).

Auf der Solvay-Konferenz in Brüssel steht 1937 die Frage nach Teilchen und Wellen wieder im Zentrum der Diskussionen. Louis de Broglie lässt sie friedlich miteinander koexistieren. Born und Heisenberg präsentieren ihre Matrizen, mit denen sie auf ihre Weise die Quantenmechanik beschreiben wollen. Bohr bleibt stur, er sieht keine Synthese. Wellen und Teilchen seien getrennt.

1930 auf der 6. Solvay-Konferenz geht es um die magnetischen Eigenschaften der Materie: Einstein und Bohr geraten aneinander. Bohr erinnert an die Unschärfe, die das Teilchen beeinflusse. Einstein verhält sich nicht völlig ablehnend, meint aber, das sei nicht die ganze Wahrheit.

Der Beginn der Nazi-Diktatur bringt die Forschung in Deutschland zum Erliegen, einige Wissenschaftler wie Born, Einsein und Schrödinger verlassen das Land, andere wie Heisenberg versuchen , sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren. Schrödinger geht wegen einer Professur in Graz nach Österreich und schreibt 1938 ein Bekenntnis zugunsten des Nationalsozialismus.

Nach dem Ende des Weltkriegs geraten die deutschen Physik-Wissenschaftler auf Betreiben der Amerikaner in britische Gefangenschaft, diskutieren über ihr Schicksal und werden auf Farm Hall vom Geheimdienst M16 dabei lauscht. Wer ist der Atombombe auf der Spur? Was wissen die Deutschen, Sind Sie den Amerikanern voraus?

Am 6. August 1945 fällt die erste Atombombe auf Hiroshima. Heisenberg ist tief betroffen und glaubt dass die Atomphysik, an der er 25 Jahre lang mitgearbeitet hat, den Tod von weit über hunderttausend Menschen gekostet hat.

„Man kann die Welt nicht beobachten, ohne sie zu verändern,“ (S. 381) schreibt Hürter in seinem Epilog.

Dieses Buch ist nur spannend, sondern kann auch, den Berufswunsch von Schülern verändern, wenn es ihnen in die Hände fällt und ihnen die Wunderwelt der Physik öffnet.

Heiner Wittmann

Beteiligte Personen

Tobias Hürter

Tobias Hürter, geboren 1972, studierte Philosophie und Mathematik in München und Berkeley. Danach arbeitete er als Redakteur bei der MIT ...

Tobias Hürter, geboren 1972, studierte Philosophie und Mathematik in München und Berkeley. Danach arbeitete er als Redakteur bei der MIT Technology Review und bei der Zeit und war stellvertretender Chefredakteur des Philosophie-Magazins Hohe Luft, das er mitbegründet hatte. Heute arbeitet er als freier Journalist, u. a. für Hohe Luft und Zeit Wissen.

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