Lesebericht: Toni Hölscher, Der Taucher von Paestum. Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland

oni Hölscher, Der Taucher von Paestum. Jugend, Eros und das Meer im antiken GriechenlandSo ein bemerkenswert schönes Buch. Tonio Hölscher (Jahrgang 1940) ist Professor em. für Klassische Archäologie an der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg. Von 2002 bis 2004 war er Forschungsprofessor am Deutschen Archäologischen Institut Rom. Zu den Schwerpunkten seiner Forschung gehören griechische und römische Staatsdenkmäler, griechische Mythenbilder und der antike Städtebau. Von ihm ist jetzt bei Klett-Cotta der Band > Der Taucher von Paestum mit dem Untertitel „Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland“ erschienen.

Mit einem sensationellem Fund aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. entfaltet Tonio    Hölscher alle Dimensionen der griechischen Geschichte vor unseren Augen und vermittelt uns seine Passion für die Archäologie des Altertums. Der ausgemalten Innenraum eines Grabes, der am 3. Juni 1968 in Paestum (gr. Poseidonia) gefunden wurde enthält mit einigen Bildern eine ganze Sozialgeschichte seiner Zeit, die Hölscher mit Präzision nachzeichnet. Der Ephebe beim eleganten Kopfsprung steht dabei im Mittelpunkt der Darstellung, der eine Analyse des kulturellen Umfelds folgt, eine Einordnung par excellence.

Der Fund mit dem Taucher wird von Hölscher mit ähnlichen Bildmotiven der Etrusker verglichen, eine weitere Gelegenheit, die Bemerkungen über die Eschatologie zu vertiefen. Und über die Bildbeschreibung kommt Hölscher wieder zu den Orten und ihren Bezügen zum Meer: „Und war das Meer für die Griechen nur ein Raum der Bedrohung und des Todes?“ (S. 39)  Er fragt zu Recht, denn „Der Kopfsprung vom Turm  ins Meer ist die Kulmination einer fundamentalen Lebenssituation: des langen Übergangs von der Kindheit in den Status des Erwachsenen, zusammengezogen in einem einzigen Augenblick,“ (S. 47) diese beiden zuletzt zitierten Sätze geben zusammen den ganzen Spannungsbogen dieses Buches so genau wieder. Es geht aber nicht um den Tod, sondern dahinter steht ein Aufbruch zu neuen Ufern, eine Initiation, „eine neue Stufe des Lebens in der Gemeinschaft der Bürger.“ (S. 49).

Und dann berichtet Hölscher von einer schwarzfigurigen Amphora aus Monte Abetone in Eturien, die aus Athen stammt, und dort um 500 v. Chr. hergestellt worden sei, die eine Schar junger Mädchen beim Baden zeigt. Und mit weiteren Betrachungen kann Hölscher jetzt auf spannende Weise eine ganze Sozialgeschichte anhand der Interpretation dieser Darstellungen auffächern. Es geht um Helden und Mythen, um „Körper, Schönheit und die Kultur des unmittelbaren Handelns“ (Kapitel 9, S. 101-106).

Vitale Lebensfreude in einem Grab? Es geht um das Wissen um die Endlichkeit, die Vergänglichkeit des Glanzes, wodurch aber eine ganz intensive Betonung der Diesseitigkeit entsteht, die durch die Kunst so eindrucksvoll dargestellt wird. In dieser Darstellung der griechischen Geschichte ist der Band von Hölscher mancher so sehr viel umfangreicheren Darstellung so weit überlegen. Und so nebenbei demonstriert der Autor, wie viel wir aus dieser Geschichte auch für so grundsätzliche Fragen wie Tod und Lebensfreude auch heute für uns lernen können.

Tonio Hölscher
> Der Taucher von Paestum
Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland
1. Aufl. 2021, 160 Seiten, Gebunden
ISBN: 978-3-608-96480-6