Lesebericht: Marianne Krüll, Die Geburt ist nicht der Anfang

Marianne KrüllBei der Vorbereitung für die Interviews auf dem Stand von Klett-Cotta liegt auch das neue Buch von Marianne Krüll auf meinem Tisch: > Die Geburt ist nicht der Anfang. Die ersten Kapitel unseres Lebens – neu erzählt. Frau Krüll war zu Beginn dieses Blogs mein erste Gesprächspartnerin im März 2007 auf der Leipziger Buchmesse. Wir sprach über Ihr Buch > Die Mutter in mir – Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen.

Das Buch ist eine Neuauflage des Buches, mit sie 1982 begonnen hatte. Im Vorwort erläutert sie die Entwicklung der Forschung aber auch mit dem Geburtsvorgang selbst, der sie zu dieser Neuauflage angeregt hat:

„Wieder wurde ich aufgerüttelt durch das, was ich neu entdeckte. Einerseits fand ich mich bestätigt, denn in den letzten Jahren haben sehr viele Menschen erkannt, wie bedeutsam die ersten Jahre unseres Lebens vor und nach der Geburt für unser ganzes Leben sind. Ich fühle mich mit meinen Ideen nicht mehr in dem Maße als Außenseiterin wie noch vor 25 Jahren.

Andererseits bin ich entsetzt über viele Entwicklungen, die ich zwar schon damals befürchtete oder sogar voraussah. Doch nun erleben zu müssen, wie das Geburtsgeschehen immer mehr zu einem Krankheitsbild deformiert wird, erschreckt mich sehr. Die medizinischtechnischen »Fortschritte« der chirurgischen und medikamentösen Geburtshilfe, der pränatalen Diagnostik, der künstlichen Befruchtung bis hin zur »therapeutischen« Stammzellengewinnung und Genmanipulation lassen ein Klima entstehen, in dem all das gefährdet ist, was ein neues Menschenwesen für sein Wachsen und Gedeihen im Mutterleib und danach braucht – nämlich Geborgenheit, Sicherheit und vor allem Liebe. “

Und sie zeigt sich besorgt über Hight Tech jeder Art, mit dem man den Kleinen buchstäblich zu Leibe rückt und dabei die Seele der Kleinen vergisst:

„Ich bedaure auch sehr, dass wir zwar im Ultraschall die erstaunlichen Lebensäußerungen von Föten bewundern können und uns die wachen, großen Augen von Neugeborenen auf den Hochglanzfotos in den Schwangeren-Ratgebern begeistern, dass aber in der breiten Öffentlichkeit wenig Bewusstsein darüber besteht, was diese Kinder im Mutterleib und in der neuen Welt brauchen, um die begonnene Entwicklung ihrer Sinne im Positiven fortzuführen. Ein buntes Mobile, regelmäßige Mahlzeiten und frische Luft sind auf keinen Fall genug. Menschenkinder brauchen vielfältigste Anregungen für alle ihre Sinne, damit sich ihr Gehirn strukturieren und aufbauen kann. Werden bestimmte Sinnesreize nicht angeboten, verkümmern die jeweiligen Gehirnareale, wie die moderne Hirnforschung inzwischen nachweisen kann.“

Marianne Krülls Erfahrung, ihr Einfühlungsvermögen, die Vermeidung eines wissenschaftlichen Sprachduktus, ihr unbedingtes Eintreten für ein ganzheitliches Menschenbild gegenüber einer Gerätemedizin, die schon die kleinsten Unmutsäußerungen in ihre Bestandteile zerlegt und vor allem ihre Begeisterung für den ganzen Prozeß der Menschwerdung vermitteln hier eine Lese- und Lebensfreude. ich freue mich auch das Gespräch mit ihr.

> Die Geburt ist nicht der Anfang
Die ersten Kapitel unseres Lebens – neu erzählt
Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe, unter Mitarbeit von Flora Frank
1. Aufl. 2009
ca. 45 Abbildungen und einem Glossar
394 Seiten
ISBN: 978-3-608-94556-0

> www.mariannekruell.de