Mobile Telefone in der Schule?

Im Zug gibt es keine netten Gespräche mehr, – die einzige Unterhaltung findet statt, wenn zwei sich über den Gebrauch der Steckdose zwischen beiden einigen, bevor sie sich wieder ihrem Smartphone widmen. Alle Reisenden gucken auf ihre Displays und wenn der Zugführer eine Verspätung ankündigt, gibt es kein Stimmengewirr mehr wie früher, dann wird noch heftiger auf dem Handy getippt und gewischt. Auf der Straße kommen die Mitbürger/innen uns mit dem Smartphone in der Hand entgegen, die weißen Schnüre führen zu ihren Ohren. Der öffentliche Diskurs ist vorbei, jeder ist nur damit beschäftigt, mit Hilfe der sozialen Netzwerke seine Stimmungslage der Welt mitzuteilen. Man hat unterschwellig gehörige Angst, die letzte Botschaft in seinem Netzwerk nicht mehr mitzubekommen und schon innerhalb von Sekunden abgehängt zu sein. Die sozialen Netzwerk haben mit ihren strengen Regeln die Koordination der sozialen Beziehungen der Smartphonegucker übernommen. Whatsapp will gefüttert sein. Früher suchten wir eine Telefonzelle auf, weniger wegen des Apparates, sondern weil Kommunikation mit der oder dem Liebsten Privatsache ist und nicht in der Öffentlichkeit stattfindet.

Da kommt der Ulmer Neurologe Manfred Spitzer gerade mit dem richtigen Buch: „»Spitzer hat ein Anliegen. Er will die Menschheit vor der Verblödung bewahren, die ihr unweigerlich durch Computer, Handy, Fernsehen sowie das Navi im Auto droht und von digitalen Dealern überall auf der Welt befeuert wird,« schreibt die Süddeutsche Zeitung. Am 22. September 2018 erscheint bei Klett-Cotta das Buch von Manfred Spitzer, > Die Smartphone-Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft.

Aus für das Handy in Frankreichs Schulen? Gerade hat das die Nationalversammlung in Paris den Gebrauch der mobilen Geräte mit Zugang zum Internet einschließlich des mobilen Telefons in den Kindergärten und Schulen (écoles maternelles, école, collèges) verboten und es den Gymnasien anheimgestellt, ebenfalls ein solches Verbot auszusprechen.

> Frankreich verbietet das mobile Telefon für nichtpädagogische Zwecke in den Schulen – www.france-blog.info, 31. Juli 2018 “ à l’exception des circonstances, notamment les usages pédagogiques“ steht im Artikel 2 des neuen Gesetzes, das den Artikel 511-5 des Gesetzes über das Erziehungswesen neu fasst.

Liest man das Gesetz und die Begründung für den Gesetzesentwurf ganz genau, dann wird eine Schlupfloch für den pädagogischen Gebrauch des Internets offengelassen, ohne dass allerdings dessen Bedingungen an dieser Stelle genannt werden. Andererseits enthält das Exposé des motifs des Abgeordnete Richard Ferrand, der das Gesetz vorgeschlagen hat. enthält viele einsichtige Gründe für ein Verbot der mobilen Internet-Endgeräte, die von den Schüler/innen zu allen möglichen Zwecken, wovon Mobbing besonders hervorgehoben wird, missbraucht werden. Vor allem wird auch ein Aufmerksamkeitsdefizit angeführt, das durch den Verbot bekämpft werden soll.

Rappel:

„Richard Sennett hat 1977, ohne dass es soziale Netzwerke gab, schon über sie geschrieben: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität (S. Fischer, Frankfurt/M. 1983). Der Originaltitel The Fall of Public Man ist viel treffender für seine Thesen. In Anlehnung an sie kann man sagen, dass die sozialen Netzwerke keinesfalls sozial sind, sondern zum Niedergang der Öffentlichkeit gerade durch die Vorspiegelung der Öffentlichkeit erheblich und entscheidend beitragen. Je mehr gemeinsame Identität festgestellt oder entwickelt wird, je gleicher alle werden, so möchte man hinzufügen, so unmöglicher wird die Verfolgung gemeinsamer Interessen, erklärt Sennett (dt. S. 295). Das ist nicht unbedingt so paradox, wie es klingt. Nur die Unterschiede lassen die Neugier entstehen und führen zum Entdecken von Neuem.“

Das stand schon in diesem Blogbeitrag:
> Wo führen uns soziale Netzwerke hin? oder Sind soziale Netzwerke wirklich sozial? – 29. Dezember 2008.