Beim Hören der heutigen Nachrichten, die von den Diskussionen unserer Berliner Politiker berichten, die miteinander und gegeneinander um ein bundesdeutsches Ausstiegsdatum aus der Atomkraft feilschen, fällt mir wieder der Band von > Robert Spaemann,
> Nach uns die Kernschmelze Hybris im atomaren Zeitalter, der genau zum richtigen Zeitpunkt am 24. Juni bei Klett-Cotta erscheinen wird. Auf die Lektüre dieses Bandes gefolgt von einem Interview (Nachgefragt) mit dem Autor bin ich gespannt.
In den Nachrichten habe ich noch nicht gehört, warum die Befürworter der Atomkraft oder diejenigen, die mit der Verkürzung der atomaren Laufzeiten hadern, das Abschalten der Meiler so kritisch sehen. Aus Baden-Württemberg wird CDU-Fraktionschef Peter Hauk so zitiert (> www.tagesschau.de, 29. Mai 2011), dass ein Schwenk der Atompolitik den Bürgern – auch den CDU-Mitgliedern – erklärt werden muss. Das ist keine besonders komplizierte Aufgabe, denn ein Unfall, der mit alter Technik immer irgendwann passieren wird, das ist eine Art Binsenweisheit, das weiß sogar jeder Autofahrer – dürfte so teuer und verheerend werde, dass der Erklärungsaufwand nicht besonders groß wird.
Andere wollen erst realistische Energiekonzepte sehen, andere visieren noch eine Laufzeit von 10 Jahren an, wie die Ethikkommission dies wohl jetzt empfohlen hat. Das klingt nach großem Vertrauen in die Technik, die den Bundesbürgern plausibel erklärt werden muss. Und das ist ungleich schwerer als den Ausstieg vorzuverlegen. Da kommt einem wieder das Wort vom Restrisiko in den Sinn, das einige offenbar immer noch akzeptieren wollen. Beim heutigen Stand der Dinge kann ein Mitgliedsland der EU nicht alleine abschalten; nun, es könnte aber wenigstens ein Zeichen setzen. Ausstiegsdaten hin und her: eine fundierte Aufklärung über den tatsächlichen Zustand unserer Atommeiler und der Gedanke, dass ein Unfall beim Stand der Dinge einen sofortigen Ausstieg zur Folge hätte, lässt das Gefeilsche über Ausstiegsstrategien als Muskelspiele zwischen den Parteien erscheinen.
Für Robert Spaemann ist die Nutzung der Atomkraft ein Verbrechen. Nimmt man seine Argumente zur Kenntnis – hier können Sie schon mal in seinem Buch blättern – Für alle IPAD-Leser ein PDF-File: > Blättern im Buch – und betrachtet man dann, dass die Politik sich nach einem erneuten schwerwiegenden Unfall sich erstmal bei einer hochrangigen Kommission Rat holt, der von dem politischen GAU im Stammland schon überholt worden ist, darf man vermuten, dass die Datumsdiskussion nur noch ein Rückzugsgefecht ist. Wie will man denn heute die Arbeit von zweieinhalb Legislaturperioden planen? Ist der Ausstieg erst einmal per Gesetz beschlossen, also hat das Parlament – bisher hat die Regierung vor allem nur eine Kommission gefragt – seinen Segen gegeben, wird die Schädlichkeit und künftige Nichtbeherrschbarkeit der Atomenergie Konsens sein. Und dann kann man sich heute sehr gut vorstellen, dass der Ausstieg von neuen Technologien getrieben sehr viel schneller gehen wird.
Schwarz-Gelb wird das für anvisierte Ausstiegsdatum 2021 oder 2022 vom Wähler gerne eine Bestandsgarantie für die eigene Koalition bekommen. Das Datum ist also eher ein Wahlmanöver als von der Sache bestimmt. Hat die CDU den Grünen ein Thema weggenommen? Das könnte sein, könnte aber auch nicht sein, da die Grünen verlorenes Terrain mit der Forderung nach einem schnellerem Ausstieg wettmachen werden. Der Ausstieg könnte sich obendrein noch beschleunigen, wenn das deutsche Beispiel in Europa Schule macht. Europäischen Folgen wird es geben müssen, denn die Berliner Politiker wissen, dass man ncith allein in Europa aus der Atomenergie aussteigen, will man wirklich konsequent sein will. Das nationale Abschalten ist ein politisches Signal aber noch keine Lösung der europäischen Energieprobleme.
> Robert Spaemann
> Nach uns die Kernschmelze. Hybris im atomaren Zeitalter
1. Aufl. 2011, ca. 112 Seiten
ISBN: 978-3-608-94754-0
Auf dem Frankreich-Blog:
> L’énergie nucléaire (I) : La visite de M. Sarkozy à Gravelines
> L’énergie nucléaire (II) :“Un référendum sur le nucléaire en France !”