»Das Medium ist die Botschaft« Das ist wohl eines der berühmtesten Zitate aus Understanding Media (1964) – und dann in The Medium is the Message: An Inventory of Effects (1967) – von > Marshall McLuhan (1911-1980). Im Frühjahr ist bei Klett-Cotta die Biographie von > Douglas Coupland über McLuhan erschienen. Wenn wir heute uns manchmal erstaunt zeigen, dass wir durch alle elektronischen Geräte, Tischcomputer, Laptops, Handhelds und Social networks jeder Art von Xing bis Facebook rund um die Uhr total vernetzt sind, so erinnern wir uns wohl nicht mehr an die Arbeiten McLuhan der uns dies nicht nur voraussagte sondern auch gleich die Folgen beschrieb, die manche Surfer und Networker auch heute noch nicht immer im Blick haben.
Couplands Inhaltsverzeichnis ist mager und aus gutem Grund: return, command, shift, escape, control. Ein Hinweis auf das,was die Medien uns mit ihrer vorgespiegelten Vielfalt angetan haben. Dahinter steckt eine Erinnerung an McLuhan, der schon Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts darlegte, wie unsere visuelle Druckkultur durch die Abhängigkeit elektronischer Medien aller Arten ersetzt wird. Nichts anderes ist eingetreten. Wo früher eine feiner Briefbogen und mein geliebter Füller die Verbindung zu meinen Freunden sicherte, ist es heute ein flüchtiger Facebookeintrag, der mich daran erinnert, dass einer meiner 120 Freunde, bei denen ich manchmal nur einer von 489 bin, gerade mal wieder mehr an sich als an alle anderen gedacht hat. > Soziale Netzwerke sind im Begriff uns die Organisation unserer Freundschaften abzunehmen, sie rechnen elektronisch aus, wer oder was uns gefallen könnte. Es gibt keine zufälligen Bekanntschaften mehr, sondern der Facebookxingalgorithmus protokolliert, wer uns anspricht, wenn wir liebhaben und zeigt unsere Kontakte der ganzen Welt. Ist das das Globale Dorf, was manche ersehnen oder andere fürchten?
Es lohnt sich, bei McLuhan einmal nachzulesen, und wir werden viele Aussagen entdecken, mit denen wir heute einen neuen Blick auf das entwickeln können, was die vorgeblichen Segnungen des Netzes gerade mit uns anstellen. Coupland kommt gerade richtig, um uns diesen neuen Blick auf das Werk von McLuhan zu ermöglichen. Kaum etwas ist unpersönlicher, als ein schnelles Antwortmail mit Tippfehlern auf der Tastatur zu klimpern. Und wie schön ist es doch, wenn der Adressat nach 4 Minuten schon zurückschreibt und seine Freude über die schnelle Antwort verkündet und mich auch gleich noch geschwind übertrumpfen will. Nie enthält eine solche Lobhymne eine Bemerkung über den Inhalt meines Mails. Kein Widerspruch, kein Lob. Die Technik wird zum Inhalt der Botschaft.
Und dann noch der Begriff Wissensgesellschaft, der das Volk der heutigen Surfer bezeichnen soll. McLuhans Die Gutenberg-Galaxis (1962) war ihrer Zeit um viele Lichtjahre voraus, so wie heute in ganz umgekehrter Weise der hochgelobte Begriff der Wissensgesellschaft kaum mehr verrät, als dass ihre Protagonisten so technikverliebt sind, dass sie sich noch nie wirklich gefragt haben, ob nicht frühere Gesellschaften nicht vielleicht sogar in viel bessere Wissensgesellschaften als heute lebten? Mc Luhan legte schon in den sechziger Jahre den Finger in unsere heutige Wunde: Wir lassen heute die technische Welt die soziale Welt bestimmen und überantworten der Technik die Kontrolle über unser Gemeinwesen. Früher gab es > Feste, heute werden die Fellower unpersönlich zu Events geladen und sagen der Welt komme/komme nicht. Die automatische Steuerung des Terminkalenders durch die > kollektive Intelligenz ist nicht mehr weit.
McLuhans Satz „Das Medium ist die Botschaft“ zeigt die ganze Krux des Web 2.0. Twitter, Facebook, Yutobe, Blogs, und alle anderen 236 Socialmedia wollen jede für sich die ganze Aufmerksamkeit und versuchen alles, allen anderen die Besucher abzujagen. Je mehr Bytes an persönlichen Infos ein Netzwerk kriegt, umso wichtiger nimmt es sich, während die politisch wirklich relevanten Informatioonen über unsere Gesellschaft in Facebook gegen 0 tendieren.
> Leseprobe *.pdf
Douglas Coupland
> Marshall McLuhan
Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner(Orig.: Marshall McLuhan)
1. Aufl. 2011, 222 Seiten,gebunden ohne Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50306-7