Lesebericht: Douglas Coupland, Generation A

Douglas CouplandDouglas Coupland hat mit > Generation A einen Roman verfasst, der ebenso auf das Fantasy- aber auch auf das Krimi-Regal gestellt werden könnte. Ein Ökokrimi? Ein Sachbuch über den medizinischen Wahnsinn? Bestimmt ein Buch, das sich nicht dazu eignet, hier detailreich resümiert zu werden, um Ihnen nicht die Lesefreude zu nehmen. Mein Tag war anders geplant, nur noch bis Seite 200. Und dann war das Buch plötzlich zu Ende.

Bei manchen Büchern braucht man eine längere Leseeingewöhnung. Manche legen einen Band schnell wieder aus der Hand, da komme ich nicht rein, sagen die dann. Mit diesem Buch ist das ganz anders. Fünf kurze Episoden erzählen von mehr oder weniger normalen Menschen, einer von ihnen in der Nähe von > Oskaloosa in Iowa, die in ganz unterschiedlichen Ländern bei ihren täglichen Beschäftigungen jeweils plötzlich von einer Biene gestochen werden.


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Man erfährt, warum Samantha ihr Weißbrot auf die Erde legt, fotografiert und daraus eine Kunstaktion, nämlich ein „Erdsandwich“ macht: > Route 52 auf Neuseeland, 30 km von der Küste entfernt und > Ecke Calle Gutenberg und Calle Poeta Esteban de Villegas in Madrid. Das Internet und die digitale Welt sind ein selbstverständlicher Bestandteil der Handlung, liefern aber nicht wirklich einen lebensnotwendigen Beitrag, immerhin Zarka kann sich ein bisschen was dazuverdienen, weil Charles ihn per Webcamera beim Nacktfahren auf dem Mähdrescher beobachten darf. Julien hat gerade 114 Tage World of Warcraft hinter sich, und er ist kein echter Parkbankhocker. Aber er sitzt da nun einmal im Parc de Vincennes in Paris und wird auch gestochen.

Der Internet Explorer 7 oder das IPaD mag das Buch zum Blättern nicht anzeigen? Dann gibt es hier die > Leseprobe. Alle fünf Personen werden nach den Bienenattacken überfallartig isoliert und abtransportiert. Nach dem Verschwinden der Bienen – warum eigentlich? Das verrate ich hier nicht -, erregen diese Stiche sofort die Aufmerksamkeit der Wissenschaft, die mit Unterstützung der Behörden dieser fünf Bienenopfer sogleich und ohne Zögern habhaft wird. Warum und wieso die Wissenschaft an ihnen ein so großes aufgeregtes Interesse hat, wird erst später verständlich. Die Isolationshaft müssen sie und der Leser hinnehmen, auch ihre Entlassung bringt keine besondere Aufklärung.

Die Bienenopfer und ihre häusliche Umgebung einschließlich der Nachbarschaft werden peinlich genau untersucht. Jeder Gegenstand wird fünf mal rumgedreht, vieles wird auseinandergenommen und eingepackt, die Bienenopfer werden an einem geheimen Ort voneinander isoliert untergebracht, untersucht und verhört.

Später werden sie freigelassen, sind als Bienenopfer die umfeierten Stars des Tages, bis ein Wissenschaftler sie zu weiteren Forschungen an einem anderen Ort wieder zusammenbringt. Sie sollen sich Geschichten (Stichwort „Decamerone“) erzählen und Coupland liefert hier gleich an mehreren Stellen eine kleine Poetik des Geschichtenerzählens mit. Die Menschen, so lässt er Serge erzählen, erinnern sich nicht mehr daran, wie man mit Geschichten die Welt neu ordnet. Erst später wird deutlich, dass er mit diesem Satz einen Anspruch auf die Deutung seiner eigenen Geschichte vorlegt. (Vgl. S: 196) Später spielt Serge mit einem Perspektivenwechsel: „Anstatt mir Geschichten auszudenken, werde ich mein Leben zu einer interessanten Geschichte machen.“ (S. 204)

> Generation A ist für eine längere Zugfahrt bestens geeignet, eine den Leser vereinnahmende Lektüre, da man kein anderes Buch nebenher oder gleichzeitig lesen kann und die andern Fahrgäste vergisst oder überhört. Zu eigen sind Stil und Ausdrucksweise, mit der Coupland die fünf Personen dieses Romans vorstellt und mit denen er ihre Geschichte, ihre Wünsche, Befürchtungen und Absichten verfolgt.

Man neigt dazu, die ganze Geschichte für völlig überzogen zu halten – total konstruiert aber im positiven Sinne des Wortes, man könnte auch sagen, glänzend komponiert -, sie ist mit großem Sachverstand verfasst und trotz aller Phantasie irgendwie auch einleuchtend mit einer gewissen Ähnlichkeit zu unserer Welt, zumal wenn man an manchen technischen unsinnigen Fortschritt denkt, der manchmal keine Rücksicht auf die Folgen zu nehmen scheint.

> Douglas Coupland
> Generation A
Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann (Orig.: Generation A)
1. Aufl. 2010
333 Seiten
ISBN: 978-3-608-50110-0