Lesebericht: Frédéric Lenoir, Der kleine Philosoph. Wie Kinder denken

Der kleine Philosoph. Wie Kinder denkenIst Ihre Klasse immer so laut… Na gut, es gibt schon Ruhephasen, aber so richtige Konzentration ist da nicht drin. Methodenwechsel riet man uns in der Referendarzeit und war entsetzt, wenn nicht alle 8 oder 10 Minuten in den Vorführstunden was Neues geschah und mein Fachleiter rastete aus, als meine Schüler/innen es wagten, in der Lehrprobe Fragen zu stellen, ganz so als selbständiges Mitdenken oder gar eine eigene Meinung eine Sünde sei. Wie gesagt, ist es bei Ihnen manchmal laut, machen die Kinder nicht so mit, wie es wünschenswert wäre?

Wir hätten da was für Sie. Oder vielmehr Frédéric Lenoir, ein französischer Religionswissenschaftler, Soziologe und Philosoph. Er hat das > Der kleine Philosoph. Wie Kinder denken verfasst und zeigt Ihnen, wie man in der Grundschule mit Kindern über die wirklich wichtigen Fragen des Lebens sprechen und diskutieren kann. Das macht Lust auf Nachahmung. Lesen Sie dieses Buch und Sie werden das mit Ihren Schüler/innen bestimmt ausprobieren. Philosophie! Das Buch ist ein Bericht über die Philosophieschulstunden des Autors, eine behutsame Einführung in das Thema und mehr noch, nämlich ein knappe und präzise Anleitung zum Philosophieren mit Kindern.

Eine Einleitung enthält eine Hinführung zum Thema. Philosophieren mit Kindern? Dann wird Wichtiges über die Meditation gesagt, die bei Lenoir dazugehört. Ruhe und auf die innere Stimme des Körpers hören, mal ein paar Minuten lang, das tut allen bei dieser Schulhektik so richtig gut. Da gibt es auch verschiedene Meditationsformen. Und dann gibt es einen Überblick über die historische Entwicklung des Projekts Philosophie mit Kindern. Da gibt es verschiedene Strömungen, die einen arbeiten mit Texte, Lenoir zieht es vor, Fragen zu stellen.

Vorher erläutert er noch zehn Grundregeln: S. 43-57. U. a.: Kreisform für das Gespräch, auf Augenhöhe mit den Kindern, sie fragen, was Philosophie bedeutet. Achtung, die wissen mehr, als Sie vermuten. Kursregeln besprechen, einen Einstieg in die Debatte finden, Begriffe klären, aufpassen, das alle was sagen, Ergebnisse formulieren.

Und dann kann es mit den Philosophiekursen losgehen:

Was ist Glück? Marie: Das Glück ist eine Freude, die man mit anderen teilt.

Was ist eine Emotion? Léa (9 Jahre): Man kann ein starkes Gefühl wie die Wut in den Griff bekommen, wenn man überlegt, warum man wütend ist. Das Nachdenken hilft uns, unsere Emotionen zu steuern.

Was ist Liebe? Christophe: Wenn wir jemanden sehen, der uns gefällt, macht es Piep-Piep in unserem Herzen.

Was ist ein Freund? Julie: … ein Freund ist jemand, der die Geheimnisse bewahren muss, die du ihm anvertraut hast. In den schwierigen Momenten ist ein Grund immer da, er ist ein bisschen wie ein Bruder.

Ist der Mensch ein Tier? Tess: Ich glaube es gibt keinen Unterschied, denn unsere Art ist die intelligenteste und die dümmste zugleich.

Auf Gewalt mit Gewalt antworten? Ninon (8 Jahre): Niemand kann alles wissen, und man kann sich irren, wenn man Selbstjustiz übt.

Sie werden noch viel mehr Beispiel finden, von denen Sie dann anderen nach ihrer Lektüre vorschwärmen können. Das Buch von Lenoir ist ansteckend. Vor allem, weil am Anfang und immer in jedem Kapitel methodische Tipps gegeben werden, wie macht man das, mit Kindern Philosophieren? Und das ist überraschend einfach, und sie werden merken, wie schnell die Kinder Fortschritte im Denken machen und wie sehr sie Spaß am Denken und Nachdenken entwickeln.

Antoine (7 Jahre): Selbst wenn die anderen uns nicht respektieren,, sollten wir sie respektieren, damit sie uns auch respektieren wollen. Wenn die nämlich merken, dass es ihnen guttut, wenn man sie respektiert, bekommen sie vielleicht auch Lust, uns zu respektieren….

Glauben und Wissen, Tod, der Sinn des Lebens die Frage nach dem erfüllten Leben ergänzen Lenoirs Philosophiekurse.

Danach werden noch Zwanzig Grundbegriffe auf den Punkt gebracht (S. 161-225). ein kleines philosophisches Lehrbuch ur Vorbereitung, einige Aphorismen: „Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein“ Jean-Paul Sartre. Einige Literaturangaben.

Die Mischung aus praktischer Philosophie und Gesprächsprotokollen machen das Buch zu einem Vademekum für Schulpraktiker. Lesen und Ausprobieren.  „Statt vorgefertigte Konzepte zu akzeptiere /was gegenwärtig bis zum Abitur praktiziert wird, können die Kinder  lernen, unter Einhaltung bestimmter Regeln zu diskutieren und einen kritischen Geist zu entfalten?“ schreibt Lenoir im Vorwort, und fügt hinzu: „Sie können lernen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und eine persönliche Haltung zu entwickeln, die weniger auf Glauben und Meinungen basiert als vielmehr auf rationalen Argumenten.“ (S. 9)

Frédéric Lenoir ist Autor von über vierzig Büchern, die in zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Seit 2004 ist er Chefredakteur der Zeitschrift »Le Monde des Religions «. Zusammen mit Martine Roussel- Adam gründete er die Stiftung SEVE (Savoir Être et Vivre Ensemble),  > www.fondationseve.org die sich für eine Ausweitung von Philosophiekursen in französischen Schulen einsetzt. > www.fondationseve.org bietet auch Kurse an.

Frédéric Lenoir
> Der kleine Philosoph
Wie Kinder denken
Aus dem Französischen von Antje Peter (Orig.: Philosopher et méditer avec les enfants)
1. Aufl. 2018, 231 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-50350-0