Lesebericht: Michal Hvorecky, Tod auf der Donau

Mal eben reingucken? Einmal durchblättern? Probieren Sie das aus, und Roy hat sie schon auf seine Reise mitgenommen. Bei dieser Lektüre lässt man sich einfach nicht mehr stören.

Der Übersetzer Martin Roy hat mit seinem umfangreichen geographischen und historischen Fachwissen bei der ADC angeheuert und darf als Reisebegleiter achtzig Senioren auf einem Kreuzfahrtschiff bis zum Donau-Delta begleiten. Die Fahrt wird von der Gesellschaft ADC zum ersten Mal unternommen, und Roy beruhigt die Reisenden mit dem Hinweis, die Reise hätte er schon oft gemacht. Auf alle Wünsche der ihm anvertrauten Touristen einzugehen und möglichst nie zu widersprechen, das gehört zu seinen Aufgaben rund um die Uhr. Nicht nur weil einige der Kreuzfahrer schon so betagt sind, auch aus anderen Gründen reist der Tod mit. Äußerst peinliche Situationen werden zu echten Herausforderungen für die Schiffsmannschaft.

Martin Roy empfängt die Reisegäste am Flughafen und verfrachtet sie in drei Gruppen in Busse, die sie zur America b ringen. Die ersten Beschwerden über den Fußweg zum Bus, beantwortet er mit seiner überbordenden Freundlichkeit und dem Versprechen, dass doch eine exzellente Reise bevorstände. Während der Donaureise ist Roy für die Organisation der Landgänge und das Besuchsprogramm zuständig. Immer wieder hängt er am Handy, um schon die Termine für die nächsten Landgang zu checken. Verkürzungen kommen nicht in Frage. Das Programm muss eingehalten werden; wenn allerdings der Wunsch von den Reisenden, der Landgang möge verkürzt werden kommt, wehrt sich Roy der Form halber und gibt dann nach einigem gespielten Widerstand (sehr gerne) nach. Die ewigen Nörgler sind auch mit dabei, William Webster findet die ganze Reise eine Unverschämtheit, und Roy kann nur noch nicken und dann die abschließende Bewertung der Reise denken.

Wie kann man eine achtzigköpfige Touristengruppe au dem engen Schiffsraum ertragen? Die immer alles wissen wollen und an den Antworten auf ihre Fragen nur mäßig interessiert sind? Mozart? „Vor drei Wochen gestorben…“ verrät Roy und die Amerikanerin findet das schade. Genauso wie er sich den Spaß macht, Barock als eine „italienisch-politische Diktatur“ zu verkaufen, „die noch vor der Gotik in Europa herrschte. Sehr böse, obskur und gefährlich!“ (S. 49) Jeffrey denkt gleich an die Wirtschaft und ist dankbar, dass es so etwas in Amerika nicht gibt.
Michal Hvorecky hat eine wunderbar spannenden und aufregenden Roman geschrieben. Der Empfang der Touristen auf dem Flughafen und das Einschiffen illustriert schon die Strapazen, die sie freiwillig auf sich nehmen, und Roy ahnt irgendwie, das die gemeinsame Reise nicht gutgehen kann.

Mit seiner antrainierten Freundlichkeit überspielt er gekonnt jedes Problem und versichert seinen Kunden, das die Reise exzellent verlaufe, das Essen exzellent sei und gibt sich so exzellent wie möglich, damit die Reisenden auch ja später das stets gehörte Wort EXZELLENT in die Bewertungsbögen eintragen, um Roy und seinen Kollegen den Job zu sichern.

Ein Resümee der Geschichte würde die Lektüre des Buches verderben. Zu skurril sind die Begleitumstände unter denen einige der Mitreisenden die Donaufahrt vorzeitig beenden müssen.

Ein Reiseroman mit einer ordentlich Portion Krimi, versetzt mit einer Prise Liebesroman. Und zwischendurch überlegt sich Martin Roy, wieso er sich nicht mit dem Übersetzen zufrieden gegeben hat. Immer wieder fordern neue Situationen ihn heraus, er muss schnell reagieren und den Unmut mancher Reisenden durch die Hinweise auf das exzellente Schiff und das exzellente Essen beschwichtigen. Manchmal ist schnelles Handeln gefordert, damit nicht alle noch schlimmer wird. Eine völlig unerwartete Person taucht auf, die eigentlich gar nicht da sein dürfte. Und mit seinem gewohnten Geschick baut Roy sie in seine Reiseplanung ein. Man darf gespannt sein, in welcher Verfassung und unter welchen Umständen Roy seine Touristentruppe (fast) ans Ziel bringt.

Ach ja, noch was. Fahren Sie nicht S-Bahn mit diesem Buch. Sie verpassen keine Station? Mit diesem Buch sogar auch die nächste Station. Versprochen.

Michal Hvorecky
> Tod auf der Donau
Roman
Aus dem Slowakischen von Michael Stavari? (Orig.: Dunai v Americe)
1. Aufl. 2012, 272 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50115-5