Lesebericht: Mohamedou Ould Slahi, Das Guantanamo-Tagebuch

Aus gegebenem Anlass holen wir diesen Beitrag nach oben: > www.spiegel.de/politik/ausland/usa-autor-von-guantanamo-tagebuch-ist-frei-a-1117048.html

slahi-guantanamo-tagebuchWenn aus der Feder eines in Guantanamo einsitzenden Häftlings ein 400 Seiten dickes Buch erscheinen darf, in dem er Entführungen und Folter berichtet, wird man misstrauisch. Was ist an so einem Bericht dran? Wieso lassen die Behörden es zu, dass das Buch Slahis veröffentlicht werden darf? Tatsächlich wird Mohamedou Ould Slahi noch immer in Guantanamo immer noch ohne Gerichtsurteil festgehalten. Das > Manuskript zu diesem Buch hat er 2005 verfasst. Seitdem haben die Behörden seine Aufzeichnungen geprüft und viel geschwärzt. Dann, nach 10 Jahren Prüfung, die von seinen Anwälten immer wieder vorangetrieben wurde, darf das Buch in der Fassung des Herausgebers Larry Siems nun doch erscheinen. Im Vorwort beschreibt Siems ausführlich, wie er das Manuskript für den Druck vorbereitet hat. In Deutschland wird es heute vom Verlag Tropen veröffentlicht. Siems Einleitung berichtet über die Umstände, in denen das Manuskript entstanden ist: S. 17-53.

guantanamo> www.guantanamodiary.com/

Mohamedou Ould Slahi ist Jahrgang 1970. Zwölf Jahre lebt er in Deutschland und studiert Elektrotechnik. 2000 gerät er das erste Mal in das Visier amerikanischer Fahnder, die ihn in Verdacht haben am Plan, den Flughafen von Los Angeles zu bombardieren (Millenium-Plotz), beteiligt zu sein. Er wird aber wieder freigelassen. Nach den Anschlägen von New York wird er nach Jordanien entführt, es folgen Verhöre, dann kommt er nach Bagram in Afghanistan und von dort aus Guantanamo. Das war im AUgust 2002. Er soll sich im Umkreis von Osama Bin Laden aufgehalten haben. Slahi wird Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten und Beteiligung an Terrorakten zur Last gelegt. Ein geordnetes juristische Verfahren hat der Häftling mit der Nummer 760 bis heute nicht bekommen.


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Das Buch beginnt mit der Chronik einer Freiheitsberaubung. Nach seiner Ausreise aus Deutschland und kam 1991 im al-Farouq-Trainingslager in Khost ein und schwor, so berichtet Larry Siems (S. 25), der al-Qaida einen Treueeid. Es folgte der Abschluss des Studiums in Deutschland, ohne dass der Kontakt mit seinen Freunden in Afghanistan abriss. Seit seiner Verhaftung nach den Anschlägen vom 11. September ist Mohamedou Ould Slah in amerikanischem Gewahrsam.

slahi-guantanamo-tagebuchDas erste Kapitel von Slahis Das Guantanamo-Tagebuch berichtet über die Verlegung, die ein Entführung war, von Jordanien über Afghanistan bis GTMO Guantanamo am 5. August 2002.. Nackt in Ketten mit einer Augenbinde. S. 59 f. Die Verhöre beginnen und Slahi kann sofort aus den Fragen auf die Entwicklung in Afghanistan schließen. Es folgen immer neue Verhöre und Isolationshaft, schließlich wird Slahi nach Guantanamo geflogen. Dort wird er u.a. auch von Beamten des BND und einem Angehörigen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (Anm. 30, S. 107) verhört. Ganze Seiten S. 112 ff. sind geschwärzt, offenbar um dem Leser Details der Befragungen und der Foltermethoden zu ersparen. Über einen seiner Peiniger heißt es einmal: „Er beherrschte die Sprache gar nicht gut.“ (S. 113) – Rückblende: 2. Kapitel Senegal – Mauretanien, Januar-Februar 2000 mit der ersten Verhaftung. 3. Kapitel. Mauretanien, September-November 2000 und erneute Verhaftung. 2003 kommt Slahi nach Guantanamo weiterhin ohne Aussicht auf Freilassung. Irgendwie beginnt Slahi sich mit seiner Umgebung zu arrangieren, er lernt Englisch und findet in seiner Umgebung auch Menschen, die sich ihm zuwenden. dann aber immer wieder Verhöre auch nachts in kalten Räumen. Die Ermittler tun alles, um mehr über seine vermutete Verstrickung in die Ereignisse vom 11. September zu erfahren: S. 271 ff. Die Verhöre zermürben Slahi: „Der Typ wollte doch tatsächlich, dass ich glaubte, dass ich hinter dem 11. September steckte.“ (S. 271) Die Verhöre werden ausgedehnt, seine letzte persönliche Habe wird konfisziert. Es steht immer nur der Verdacht im Raum, offenkundig können konkrete Taten ihm nicht nachgewiesen werden. Sexuelle Belästigungen kommen dazu. Die verhöre werden wieder weiter verstärkt: „Sie zwangen mich, Dinge zuzugeben, die ich nicht getan habe.“ (S. 299) Wieder werden große Teile geschwärzt und man kann man kann ahnen welchen Qualen Slahi ausgesetzt wurde.

In der Nachbemerkung wird Mohamedou Ould Slahi mit den Worten zitiert, er hege keiner Person in diesem Buch Groll gegenüber. Er wünsche, dass sie das Buch lesen, und Dinge richtigstellen, wenn sie es für nötig halten. Eines Tages wolle er mit allen bei einer Tasse zusammensitzen, nachdem man soviel voneinander gelernt habe.

Ist das Buch ein halbherziger Versuch der Amerikaner mit den unhaltbaren Zuständen auf Guantanamo ein Ende zu machen, die Absicht zu zeigen, die Vorgänge dort öffentlich zu machen und zu ihrer Aufklärung beizutragen, indem man die Insassen selber zu Wort kommen lässt? Wurde das Manuskript freigegeben, weil es vielleicht sonst die Gerüchte um Guantanomo die USA in eine noch schlechteres Licht stellen würden? Allerdings tragen auch die Schwärzungen dazu bei, die Authentizität und die Glaubwürdigkeit von Salhis Buch zu bekräftigen. Das was er an Folter und Verhören dort am Rande der physischen Leistungsfähigkeit durchstehen musste, slahi-guantanamo-tagebuchwürde kann auch durch Gerüchte nicht verschlimmert werden. Mittlerweile hat ein Gericht seine Freilassung angeordnet,was durch die Regierung aber verhindert worden ist.

Mohamedou Ould Slahi
Das Guantánamo-Tagebuch
Aus dem Amerikanischen von Susanne Held
1. Aufl. 2015, 459 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-50330-2

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