> Das Paket von Tropen ist angekommen, und ich habe Schatten ohne Namen von Ignacio Padilla zuerst gelesen: In diesem Buch geht es um Identitäten, die absichtsvolle Verwechslung, wie jemand den Lebensweg eines anderen übernimmt, ihn aus den Augen verliert, später werden die Erinnerungen und die Ereignisse wieder zusammengeführt und dies immer vor dem Hintergrund des Krieges. Ignacio Padilla untersucht die Reaktionen der Protagonisten, ihre Motive und ihre Integrität in Zeiten totalitäre Herrschaft. Viktor Kretzschmar und Thadeus Dreyer spielen während einer Zugfahrt an die Grenze des Habsburgerreiches mitten im Ersten Weltkrieg eine Partie Schach. Der Gewinner soll Kretzschmars Identität als Weichensteller in der Provinz annehmen, der Verlierer muß an die Ostfront reisen, von der es wahrscheinlich keine Rückkehr geben wird. Dreyer gewinnt und richtet sich als Weichensteller ein, gründet ein privates Eisenbahnmuseum, um sich mit seiner gewonnenen Identität nachhaltig vertraut zu machen. Aber ein Zugunglück, an dem er nicht ganz unschuldig zu machen, bringt ihn ins Gefängnis.
Später taucht Thadeus Dreyer wieder auf und trifft Franz Kretzschmar, den Sohn seines einstigen Gegners. Dreyer ist der Ostfront entkommen und nun ein hochdekorierter Kriegsheld, der für ein Doppelgängerprogramm verantwortlich ist, das die Vertretung ranghoher Nazis bei riskanten öffentlichen Auftritten organisiert. Schatten ohne Namen ist ein spannender Roman, der die Schicksale der Protagonisten aus verschiedenen Perspektiven verfolgt. Einige Personen begegnen sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder, einige greifen in das Geschehen ein, andere werden nur mitgerissen, alle gemeinsam können dem Grauen nicht entkommen.
Ignacio Padilla
Schatten ohne Namen
trojanische pferde 24
Tropen Verlag bei Klett Cotta
Roman
Deutsch von Frank Wegner
192 Seiten, gebunden mit SU
ISBN 978-3-932170-84-3