Vor der > Frankfurter Buchmesse gilt es den Bücherstapel abzuarbeiten, deren Autoren auf dem Stand von Klett-Cotta erscheinen. Gute Gelegenheiten, um > nachzufragen. Um es nocheinmal zu sagen: Hier erscheinen keine > Rezensionen, die erscheinen woanders. Aber hier stehen auch keine bloßen Werbetexte. Die Besprechungsform heißt hier Lesebericht und darf eigentlich erst dann erscheinen, wenn das Buch aus- und wirklich gelesen worden ist. (Ob der Begriff „Lesebericht“ geschützt werden kann?) Wie schon früher hier angedeutet, gibt es auch Ausnahmen. So mit dem Band von Hallgrímur Helgason, > Eine Frau bei 1000°, der jetzt bei Tropen in der Übersetzung von Karl Ludwig Wetzig erschienen ist.
In ihrer Garage erlebt die Frau ihre letzten Lebenstage, Gesellschaft leisten ihr ein Laptop und eine Handgranate. Auf dem Buchrücken steht: „Drei Söhne von neun Männern, das ist genug. In ihrer Garage surft die 80-jährige Herbjörg durchs Internet und begleicht letzte Rechnungen, während der Ofen für ihre Einäscherung heißläuft. Hallgrímur Helgasons neuer Roman ist ein Parforceritt durch die Geschichte des 20.Jahrhunderts: anrührend und voll isländischer Skurrilität.“ Stimmt. Bin jetzt auf S. 37 und sie hat schon all ihre Männer Revue passieren lassen und ihrem Goldstück Lóa schon ihre 700 Freunde auf Facebook gezeigt. So viele? Ganz einfach. Mehrere Profile anlegen und ganz anderen Existenzen anderen vorgaukeln, womit man sich die Herbstabende verkürzen kann. Wie viele Doppel- oder Mehrfachexistenzen es wohl auf Facebook gibt? Bestimmt bauen manche Egomanen sich auf Facebook eigene Communities, die sich gegenseitig liebhaben und einladen.
Geboren wurde sie am 29. September 1929 in der Mánagata in Ísafjörður. Ein paar Kindheitserinnerungen, ein schwieriger Start. Sie erinnert sich und fragt sich gleich, wie viele Männer sie wohl gehabt hat? Aber die isländischen Männer… glaubt man der alten Dame, waren eine einzige Geräuschkulisse. Von 1959-1969 waren drei Jóns da und schenkten ihr drei Jónskerle.
Vor- und Rückblenden bestimmen den Roman. 1960 wird das Kind abgegeben und sie reist nach Hamburg, um dort Fotografie zu studieren und zog mit Joséphine ins Schranzenviertel. Wieder ein Roman, den man prima im ICE lesen kann, wenn alles um einen herum laut lärmt, man hört die alle nicht, dieses Buch ist so spannend, ein wenig atemlos geschrieben, da haben Sie beim Lesen Ruhe vor den anderen. Heute abend lese ich weiter, aber wahrscheinlich werden Sie mich nach diesem Lese(zwischen)Bericht als Appetithappen gar noch überholen.
Hallgrímur Helgason
Eine Frau bei 1000°
Aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig (Orig.: Konan við 1000°C)
1. Aufl. 2011, 400 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50112-4