Lesebericht: Submarino

Jonas T. Bengtsson, SumarinoEtwas ergänzt, Do., 10.9.09, w.
> Submarino ist die ungeschminkt realistische Erzählung aus dem Leben zweier Brüder, die sich ständig in einem Wirbel von Drogen, Sex, Gewalt, Verbrechen und Tod befinden. Der Klappentext hat den Leser gewarnt: „Wer dieses Buch liest, wird ein anderer Mensch,“ das stimmt nicht ganz, die Lektüre von Submarino verändert den Leser nicht, sie beeindruckt ihn aber doch nachhaltig.
Beide Brüder haben schon durch ihre Kindheit einen vorgezeichneten Lebensweg, dem sie kaum und tatsächlich nicht entrinnen können. Die kurzen Sätze mit wenigen Adjektiven, einigen Adverbien ohne jede Ausschmückung wirken wir protokollartige Notizen. Nicht mal zaghafte Versuche gibt es, der Spirale von Drogen und Betäubung zu entkommen. Nicks Frau wurde von einem Auto überfahren. Sein Sohn Martin geht in den Kindergarten und scheint der einzige Halt seines Vaters zu sein, der zu Hause peinlich darauf achtet, alle Spuren seines Drogenkonsums vor Martin zu verbergen. Aber er dealt, um seinem Sohn Spielzeug kaufen zu können.

Die vielen Rückblenden und das Nachdenken in manchen Situationen verraten das Unwohlsein der beiden Brüder. Ein Anstoß zur Veränderung gar zum Ausstieg aus der Droge ergibt sich dadurch aber nicht. Der Leser wird Zeuge einer zwangsläufigen Entwicklung. Nick schlägt das Erbe der Mutter aus und Martins Vater geht voll ins Risiko, kauft Stoff bezahlt mit den vielen Scheinen aus seiner Sportasche, fixt immer regelmäßiger und stopft sich beim Dealen und Dealen lassen die Taschen mit den Scheinen voll.

Von außen betrachtet sind die Missgeschicke, Unglücke und auch die Gewalttaten wirklich selbst verschuldet, aus der Sicht der beiden Brüder muss das Bild wohl ähnlich sein, aber es kommt zu tragischen Todesfällen Der Unfalltod von Martins Mutter, das Alkoholproblem der Großmutter und ihr langsames Sterben in einem Krankenhaus lassen aus ihrer Sicht zusammen mit ihren Erinnerungen an die eher unglückliche Kindheit ihre Existenz so ziemlich perspektivlos erscheinen. Hinzu kommt noch der Tod ihres kleinen Bruders, der allerdings für die Vernachlässigung durch die beiden Großen unschuldig büssen musste.

Die Anordnung der Geschichten, die beiden Teile die jeweils aus der Ich-Perspektive eines der beiden Brüder erzählen, enthält einen der wichtigen Schlüssel zum Verständnis dieses Buches. Unvermittelt wird der Leser in eine frühere Epoche zurückgeführt, eine Art unwillkürliche Erinnerung ausgelöst durch einen Gedanken oder einen Vorgang. Manchmal fehlt auch der Zusammenhang, manchmal wird er erst im nächsten oder übernächsten Kapitel erkennbar. Wenn die Personen aus der Vergangenheit nochmal auftauchen. So sind beide Brüder doch auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, der Martins Bruder ohne über den Tag hinauszudenken nur durch Fixen entkommen will. Die Vergangenheit ist für ihn keine besondere Kategorie, wird aber doch auch als eine Art Entschuldigung oder Erklärung angeführt, vielleicht auch zum Vergleich mit den Möglichkeiten von Martin, der so scheint sich sein Vater es wohl doch zu wünschen von alledem nichts mitbekommen darf und soll.

Das Vorlesen der ersten Seiten, – auch wenn man manchmal stockt, weil so deutlich und drastisch berichtet wird, man kann ja hier nun wirklich nicht alles laut lesen – bringt es an den Tag. Es ist der Stil, dessen so flüssige Handhabung manchmal gar nicht so recht zum dumpfen Immerwiederfixen passen will. Fast so als wenn Martins Vater durch seinen Bericht sich selber intellektuell überlegen wäre. So gelingt es ihm aus seiner Sackgasse heraus ein zunächst erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln, in dem die Angst vor der Polizei und den Spitzeln miteingebaut ist. Kapitel 13 im zweiten Teil „Martin“ illustriert die Beobachtungsgabe des Autors, die er ganz und gar auf den Vater überträgt. Martin sitzt vor zwei Psychologen und soll sein Zuhause malen. Wenn er bloß nicht den roten oder den schwarzen Stift nimmt, dann verliere ich ihn, denkt sich sein Vater. Martin nimmt den blauen Stift…, der Vater kann sich wieder beruhigen.

Wieder ein Buch, auf das nach der erwähnten lauten Leseprobe erstmal wieder zu Unrecht die neuen Bücher gelegt wurden. Beim zweiten zweiten Anlauf war das Buch am zweiten oder dritten Abend durchgelesen. Da komme ich nicht rein, sagen die einen, da bin ich steckengeblieben, sagen die anderen. Hier waren es etwa 10-12 Seiten, dann ging es so richtig los. Lesen als Aufwärmen. Man macht sich mit dem Personal und dem Start der Handlung bekannt, man lässt den Stil auf sich wirken, man muss aber auch neugierig sein, mal etwas anderes zu lesen, was nicht gleich in das bekannte Raster passt.

Der Roman wird derzeit von Thomas Vinterberg (»Das Fest«) verfilmt.

> Gespräch mit Tom Kraushaar über Submarino

Jonas T. Bengtsson
> Submarino
Roman
Aus dem Dänischen von Günther Frauenlob (Orig.: Submarino)
380 Seiten
ISBN: 978-3-608-50105-6